08. Mai 2020

Content Marketing – das Allheilmittel der Unternehmens­kommunikation?

Potenzielle Kunden erreicht man heute nicht mehr über platte Werbung, Kunden wollen Informationen erhalten und honorieren die Lösung eines existierenden Problems. Ist Content Marketing dabei der Weisheit letzter Schluss?

In den letzten Jahren sind viele neuartige Werbeformen entstanden. Dies ist zum großen Teil der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung der Welt geschuldet. Durch ständig neue Werbemöglichkeiten im Internet, man denke nur an die verschiedenen Social-Media-Plattformen, diversen Internetportalen und zuletzt dem Influencertum, wurde das Angebot für werbende Unternehmen immer umfangreicher, aber auch undurchsichtiger und unverständlicher.
Trotzdem scheint es, als ob heute für jede Marketing- und Werbeaktion eine eigene Definition benötigt wird: Virales Marketing, Buzz Marketing, Story Telling, Display Advertising... es hagelt an vornehmlich anglizistisch angehauchten Begriffen, die nicht immer klar definiert sind. Manchmal überschneiden sich die Werbeformen gar in den einzelnen neuen Disziplinen und sind so nicht klar zuzuordnen.
Klar ist aber, dass mit der zunehmenden Technologisierung und Digitalisierung in den nächsten Jahren noch viele weitere Formen dazukommen werden – wahrscheinlich auch solche, von denen wir heute noch überhaupt keine Ahnung haben. Prognostizierbar ist auch, dass sich durch neue Formen auch neue Bezeichnungen für Marketing- und Werbearten finden werden, die den Überblick für Unternehmer noch komplizierter gestalten.

Was ist Content Marketing?

Ein Marketing-Begriff hat sich in den letzten Jahren in der Wirtschafts- und Werbewelt durchgängig eingeprägt: Content Marketing – zu deutsch Inhaltsmarketing. Doch was ist das überhaupt? 
Der strategische Ansatz des Content-Marketing beruht auf die Erstellung und Verbreitung wertvoller und relevanter Informationen für eine bestimmte Zielgruppe, die dem Unternehmen letztlich dienen, seine Produkte zu verkaufen. Genau genommen ist es also keine eigene Marketingdisziplin, sondern mehr eine Art der genauen Zielgruppenansprache über die verschiedenen existierenden Kanäle, bei dem die Vermittlung von Information eine zentrale Rolle einnimmt. Während die klassische Werbung dem Kunden die Produkte vor die Nase hält, soll ihn Content Marketing selbst dazu führen, sich für das Produkt zu interessieren und den Bedarf zu wecken, da er einen Mehrwert für sich erkennt.
Das geänderte Medienverhalten in unserer Gesellschaft führt dazu, dass sich Kunden Informationen und Lösungen selbst suchen. Wer auf diesem Gebiet durch entsprechende Inhalte die Gier nach Informationen befriedigt, der ist bei der Kundengewinnung und -bindung klar im Vorteil.
Gepaart mit dem Begriff Content fallen oft die Begriffe Story-Telling (Geschichten erzählen) und Authentizität. Dass Geschichten in den Köpfen der Menschen am einfachsten verankert werden ist keine Neuigkeit. Vieles aus unserer Kindheit wissen wir nicht mehr, aber die Märchen, die uns erzählt wurden – von Rapunzel, Rotkäppchen und dem gestiefelten Kater – die kennen wir noch. Deshalb werden heute in der Unternehmenskommunikation mit Vorliebe Geschichten erzählt – persönlich, identifizierbar und natürlich mit besonderem Inhalt. Am Glaubwürdigsten sind sie, wenn sie von Kunden erzählt werden, die das Produkt seit Jahren mit dauerhaftem Erfolg nutzen, oder von Mitarbeitern, die schon seit Jahren ihre ganze Leidenschaft und Hingabe in jedes einzelne Produkt stecken. Denn der Kunde glaubt immer weniger, was Unternehmen von sich selbst berichten; Menschen, die das Produkt anwenden oder herstellen, wirken hingegen authentisch.
Dem entsprechend wird heute bei größeren Unternehmen viel Geld in die Hand genommen, um vor allem mit professionell produzierten Videos Geschichten zu erzählen, die die eigenen Produkte und das Unternehmen selbst erlebbar machen, Gefühle erzeugen und eine emotionale Bindung des Nutzers zum Unternehmen aufzubauen.
Die schier unendliche Vergleichbarkeit mit den Mitbewerbern am Markt ist ein weiterer Faktor der Unternehmen dazu treibt, großen Aufwand zu betreiben und beträchtliche Budgets in Blogs, Ratgeber und Whitepapers zu investieren. Wenn nicht das Unternehmen A, welches Produkte für Backwaren herstellt einen Rezeptblog betreibt, macht es Unternehmen B und steigert somit seine Sichtbarkeit im Netz. An welches Unternehmen wird sich die eifrige Hobbybäckerin erinnern, wenn sie für ihre nächste Torte Schokoraspeln benötigt und vor dem Supermarktregal die Auswahl hat?

Warum Inhalte wichtiger wurden

Wenn wir uns die Entwicklung der Medienlandschaft und das damit geänderte Nutzerverhalten in den letzten Jahren ansehen, verstehen wir wie es dazu kam, dass Content heute für die Unternehmenskommunikation so wichtig ist. Früher, als es nur die klassischen Medien wie Anzeigen, Plakate oder Radiospots gab, konnten die Unternehmen ihre Kunden mit ihren Werbeaussagen direkt und nur in eine Richtung beglücken: vom Unternehmen zum Kunden. Die eigene Imagepflege beruhte somit auf einer perfekten Darstellung nach außen: wir sind die Besten, die Schönsten, die Tollsten. Werbeversprechen konnten in die Welt posaunt werden – ob sie letztendlich auch eingehalten werden konnten, war nicht immer von so ganz großer Bedeutung.
Versuchen Sie aber heute mal als Unternehmen eine Botschaft in die Welt zu setzen, die sie besser darstellt als es der Wirklichkeit entspricht: Ein Shitstorm in den Sozialen Netzwerken ist Ihnen gewiss. Durch die Möglichkeiten, die das Internet heute jeden einzelnen Nutzer bietet – mit Unternehmen zu interagieren, Fakten und Aussagen zu recherchieren, sich mit anderen Kunden und Konsumenten auszutauschen – veränderte sich auch die Unternehmenswahrheit. Sie wird nicht mehr zum Großteil vom Unternehmen durch herkömmliche Werbung und PR gebildet, sondern Unternehmen sind Teil der Gesellschaft und diese nimmt sie entsprechend ihrem Verhalten war. Transparenz und Authentizität stehen im Vordergrund, viele Kunden wünschen sich von Unternehmen auch eine klare Positionierung zu gesellschaftlichen Themen.

Die Gefahr der Überfrachtung

Vor einigen Jahren wurde Content Marketing als neue, essenzielle Form der Unternehmenskommunikation gesehen. Viele Unternehmen mit genügend Ressourcen übten sich in dieser neuen Disziplin. Nach einem Hype kam vielerorts aber die Ernüchterung: Die Erwartungen an das neue Allheilmittel wurden nicht erfüllt. Warum aber? Ganz einfach: Wir gehen heute in zu viel Content unter! Wir können irgendwann nicht mehr lesen, schauen, teilen und verbreiten – der Tag hat nur 24 Stunden. Laut einer Studie des Daten-Analysten Beckon beträgt die jährliche Zuwachsrate von unternehmensgenerierten Inhalten 300% pro Jahr. Aber lediglich 5% dieser Inhalte generieren 90% der Kundeninteraktionen. Das bedeutet, dass man mit nur 10% der Inhalten, dafür aber interessante und relevante, nahezu die gleiche Wirkung erzielt erzielen würde. Die Schlussfolgerung: Besser weniger veröffentlichen, aber Nützliches.

Die Zukunft des Content Marketings

Die richtige Content-Marketing-Strategie für den eigenen Betrieb zu finden ist deshalb so aufwändig, da jeder Betrieb über andere Ressourcen, Zielgruppen und Budgets verfügt. Deshalb ist grade in Zeiten des technologischen Fortschritts und sich schnell ändernden Rahmenbedingungen wichtig sich professionell beraten zu lassen, um die vorhandenen Werbebudgets in die richtigen Kanäle zu leiten.
Genaue Prognosen über die Entwicklung anzustellen ist gerade in der heutigen Zeit schwierig. Der Kerngedanke des Content Marketings aber, seine Zielgruppe zu informieren und zu unterhalten, ist weder neu noch bald überholt. Heute stehen im Onlinemarketing nur immer neuere und zusätzliche Kanäle zur Verfügung, um diesem Anspruch nachhaltig gerecht zu werden.
Die weitere Digitalisierung und der Ausbau der künstlichen Intelligenz wird weitere neue Technologien mit sich bringen, Spracherkennung der Inhalte (Siri, Alexa) wird genauso wichtig wie Messenger-Apps für die Kundenkommunikation. Auch Videos werden weiter an Relevanz bei der Content-Verbreitung gewinnen. In Kürze wird die Generation „Z“ die sogenannten Digital-Natives den größten Teil der Kunden ausmachen. Eine Generation, die mit Google aufgewachsen ist, für die Netflix und Spotify wichtiger sind als Fernsehen und Radio, bei der die Meinungsbildung auf Snapchat und Instagram geschieht. Neue Gewohnheiten ändern ganze Märkte und es ist wichtig sich darauf einzulassen, sich ständig zu hinterfragen und sich an die neuen Situationen anzupassen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Content Marketing wird auch in den nächsten Jahren einen wichtigen Bestandteil im Marketing-Mix einnehmen, denn es bietet schier endlose Möglichkeiten. Wichtig ist aber eine klar ausgearbeitete Strategie und eine professionelle Planung und Umsetzung.

Anmerkung des Autors: Dieser Artikel wurde am 10. April 2020 im Fokus-Thema „Werbung“ in der Südtiroler Wirtschaftszeitung veröffentlicht.

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